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Projektidee

Rechtswissenschaft ist ein außerordentlich spannendes Studienfach: Es schließt wissenschaftliches Durchdenken und Praxisrelevanz gleichermaßen ein. Es spricht analytische und methodische Kompetenzen, Fähigkeiten zum vernetzten Denken und zum innovativen Arbeiten ebenso an wie die soziale und emotionale Intelligenz, etwa in Gestalt der Kommunikations- und Entscheidungsfähigkeit, der Empathie oder des Verantwortungsbewusstseins. Jura erscheint vielen Studierenden jedoch weit über die Anfangssemester hinaus als ein realitätsfernes, trockenes und viel zu abstraktes Fach, das vor allem Lernwissen abverlangt und mit ihrer Lebenswelt nichts zu tun hat. In späteren Phasen des Studiums, insbesondere beim Nachdenken über eine Promotion, haben viele Studierende dagegen das gegenteilige Problem: Die Bedeutung des Rechts und seine vielfältigen Bezüge zu gesellschaftlichen Fragen sind klar; alles erscheint aber überkomplex und kaum strukturierbar. Das Projekt Recht & Netz soll den Studierenden, zugeschnitten auf verschiedene Phasen des Studiums, die Bedeutung des Rechts anschaulich vermitteln und damit das Studium in den jeweiligen Phasen erleichtern. Gleichzeitig wird es einen Praxisbezug herstellen und in einem gesellschaftlich hochaktuellen Feld für die Öffentlichkeit relevant sein. Dies gewährleisten zum einen die ausgewählten Inhalte, zum anderen die verschiedenen Beteiligungs-, Lehr- und Lernformen und die angebotenen Publikationsformate. Das Projekt knüpft an die Cyber Law Clinic an, die unter der Leitung meines Lehrstuhls im Bereich Internet und Social Media eine pro bono-Rechtsberatung für Bürger/innen anbietet. Das Jurastudium wird in der Cyber Law Clinic mit „echten“ Rechtsfragen aus der Gesellschaft ebenso wie mit der anwaltlichen Praxis verbunden und dadurch lebendig. Das Projekt Recht & Netz hat enge Wechselbezüge zur Cyber Law Clinic. Es ist aber ein eigenständiges Projekt. Inhaltlich dreht sich das Projekt ebenso wie die Cyber Law Clinic um das Feld Internet und Social Media. Mit diesem Feld haben die Studierenden sowohl in ihrer persönlichen Lebenswelt als auch in späteren Berufen zu tun. Es zeichnet sich außerdem durch eine Vielzahl neuer Fragestellungen von hoher Aktualität und großer gesellschaftlicher Bedeutung aus. Einschlägige Rechtsfragen beschäftigen die Studierenden unmittelbar selbst oder ihren Bekanntenkreis. Beispiele sind das Herunterladen von Musikdateien oder das Hochladen personenbezogener Fotos, das Moderieren von Blogs, rechtliche Fragen rund um Facebook, Content-Diebstahl, Einträge in Bewertungsportalen, Shitstorms und Internetmobbing. Häufig fehlt aber ein „Internet Kompass“, der einem vermittelt, was im Internet eigentlich genau passiert und wie man sich verhalten soll. Für das Projekt Recht & Netz sollen – in gemeinsamer Besprechung mit den teilnehmenden Studierenden – Fragen ausgewählt werden, die einen unterschiedlichen Schwierigkeitsgrad haben und in unterschiedlichen Formaten bearbeitet werden können. Manche Fragen können mit dem grundlegenden Wissen der Anfangssemester erschlossen werden. Beleidigende Äußerungen sind auch im Internet strafbare Beleidigungen (allerdings kann sich das Problem anonymer Äußerungen und die Frage nach der technischen und rechtlichen Aufhebbarkeit der Anonymität stellen). Andere Fragen verlangen die Auseinandersetzung mit Spezialmaterien (Datenschutzrecht, Presserecht, Telekommunikationsrecht). Inwieweit ist ein Provider Adressat von Rechtsansprüchen; wie weit reicht die Meinungsäußerungsfreiheit bei Bewertungsportalen? Manchmal muss man die traditionellen Teilrechtsgebiete zusammenbringen und neue Lösungen entwickeln. Muss man beispielsweise neben den Grundrechten des Grundgesetzes – Meinungsäußerungsfreiheit, Pressefreiheit, Rundfunkfreiheit, Telekommunikationsgeheimnis – ein neues einheitliches Grundrecht der Internetfreiheit entwickeln?  Manche Themen werfen komplexe, sich für eine Promotion eignende Probleme auf. Wer „regiert“ das Netz, und welche Möglichkeiten gibt es, der wachsenden Macht der „Internetriesen“ wie Google oder facebook rechtlich, etwa durch kartellrechtliche Instrumente, zu begegnen? Lässt sich das Datenschutzrecht als Machtbegrenzungsinstrumentarium einsetzen, indem die Möglichkeiten von Internetdiensteanbietern, die personenbezogenen Daten ihrer Nutzer und Nutzerinnen zu verwenden, eingeengt werden? In der Cyber Law Clinic haben wir außerdem immer wieder die Erfahrung gemacht, dass eine gute rechtliche Lösung im Bereich Internet und Social Media ohne ein grundlegendes Verständnis der Datenverarbeitungs- und Informationstechnik oder der verschiedenen Interessen und Akteure kaum möglich ist. Zum Beispiel kann das Einbetten von Inhalten auf einer Website durch private Nutzer durch unterschiedliche Techniken erfolgen und zieht dann jeweils eine andere rechtliche Bewertung nach sich, je nachdem, ob es sich um ein Vervielfältigung von Inhalten oder um eine Weiterleitung handelt. Der Persönlichkeitsschutz im Internet hinkt der Technik nicht selten hinterher. Man muss deshalb die Fähigkeit entwickeln, sich das Wissen anderer Disziplinen anzueignen und es überzeugend mit rechtlichen Lösungen zu verknüpfen. Im  Projekt Recht & Netz sollen unterschiedliche Beiträge im genannten Feld ausgearbeitet und als Ergebnis auch für die Öffentlichkeit sichtbar werden. Die Studierenden können wegen der Vielfältigkeit der denkbaren Themen allein oder gemeinsam verschiedene Beiträge verfassen, die das Projektteam jeweils betreut. Das kann ein kleiner oder größerer Beitrag auf der im Rahmen des Projekts angelegten Webseite, ein zusätzlicherBeitrag in dem durchgeführten Seminar und/oder eine Publikation in dem vorgesehenen Sammelband sein. Bereits jetzt betreuen Studierende auf der Webseite der Cyber Law Clinic die Sammlung aktueller Rechtsprechung und das Web 2.0-Glossar, das zentrale Begriffe oder Techniken im Bereich Social Media erklärt. Für die neue Projekt-Webseite in Betracht kommen kurze, für die Öffentlichkeit verständliche Aufbereitungen einer besonders relevanten Gerichtsentscheidung, Kurzkommentare oder auch Pro- und Contra Kontroversen, etwa zur Entscheidung des EuGH zum Recht auf Vergessenwerden. Denkbar sind auch längere Texte, die in ggf. interdisziplinärer Zusammenarbeit von Studierenden der Rechtswissenschaft und der Informatik das Spannungsfeld von Recht und Technik beleuchten.